Mit der Wahl Norbert Stegers zum Stiftungsratsvorsitzenden hat die neue österreichische Bundesregierung jeden Zweifel an ihrer medienpolitischen Ausrichtung beseitigt. Sie kann sich die für Juni anberaumte Medienenquete ersparen. Sie hat einen Partei-Ideologen zum ORF-Stiftungsratsvorsitzenden gemacht. Sie versteht Medienarbeit als Unterstützungsleistung für sie und ihre Politik. Sie will Medienfreiheit exklusiv für sich.
Norbert Steger hat sich in den vergangenen Monaten wiederholt als rechter Hardliner positioniert, der auch vor der Verwendung modifiziert angewandter Nazi-Parolen („linker Endkampf”) nicht zurückschreckt. Norbert Steger ist kein Freund der Meinungs- und der Medienfreiheit, er kann nur eines garantieren: die Abschaffung der Meinungsfreiheit im und des ORF.
Demokratieverständnis ist bei Norbert Steger keines vorhanden. Die Anfrage von Stiftungsratsmitgliedern, wie er sich die Amtsführung als ORF-Stiftungsratsvorsitzender vorstellt, hat er damit quittiert, dass er sie nur gegenüber regierungsnahen ORF-Stiftungsrats-Mitgliedern beantworten wollte.
Alle Bekenntnisse im Regierungsprogramm zur Meinungs- und Medienfreiheit sind somit bereits ein paar Monate nach dem Antritt der neuen österreichischen Bundesregierung Altpapier.
Die IG Autorinnen Autoren kann und wird einen ORF-Stiftungsratsvorsitzenden nicht hinnehmen, der aus einem einzigen Grund ORF-Stiftungsratsvorsitzender geworden ist, um den ORF aus seinem Innersten heraus auszuhöhlen. Die Kanzlerpartei ÖVP verantwortet die Bestellung Stegers nicht nur mit, sie ist für sie hauptverantwortlich. Ohne das Einverständnis der ÖVP hätte Steger niemals ORF-Stiftungsratsvorsitzender werden können. Mit ihm als Vorsitzenden reduziert sich jede Absicht demokratischer Medienpolitik auf ein reines Lippenbekenntnis.
Gerhard Ruiss
IG Autorinnen Autoren
Wien, 17.5.2018