Rede Gerhard Ruiss, IG AutorInnen

Auf dem Weg zum Staatsfunk

 

„Wir für den ORF“, die Plattform, die zu dieser Veranstaltung aufgerufen und eingeladen hat, ist in dem Augenblick notwendig geworden, in dem klar war, es gibt Regierungsmitglieder, die ihre Funktion dazu missbrauchen, gegen die verfassungsrechtlich garantierte Medien- und Meinungsfreiheit vorzugehen. 

 

Für die jetzige österreichische Regierung gilt: Sie ist sich einig. „Message Control“ heißt das bzw. – in keine Agentursprache übersetzt – es wird zuvor festgelegt, was man herauslässt und wie man dazu sagt. Es gibt daher keine böse Medienpolitik der FPÖ, die alles unter ihre Kontrolle bringen will, und eine gute der ÖVP, die alles, was es an Grund- und Freiheitsrechten gibt, gewährleistet, es gibt nur eine gemeinsame Medienpolitik der Regierung, und die sieht so aus: Alles unter ihre Kontrolle zu bringen und allen zu vermitteln, dadurch würden Meinungsfreiheit und Medienvielfalt garantiert. 

 

So ist auch die Wahl des FPÖ-Stiftungsratsmitglieds Norbert Steger zum neuen ORF-Stiftungsratsvorsitzenden zu verstehen, der sich sowohl vor als auch nach seiner Wahl sofort wieder für die Kürzung der ORF-Gelder und die Disziplinierung der ORF-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter ausgesprochen hat. Steger wurde nicht wegen irgendwelcher unvorhersehbarer Umstände neuer ORF-Stiftungsratsvorsitzender, er war schon vorher von der Regierungsmehrheit im Stiftungsrat für diese Funktion bestimmt, und wurde auch – ausgenommen Wien und Kärnten – mit den Stimmen der Stiftungsräte aus den Bundesländern gewählt, die nun damit leben müssen, jemandem ihre Stimme gegeben zu haben, der ihnen umgehend nach seiner Wahl medial ausrichten hat lassen, dass in den ORF-Landesstudios zu wenig gearbeitet wird. 

Es wird aber einiges mehr an Anstrengungen nötig sein, als nur mit Spott, Empörung oder Sarkasmus auf bösartige Attacken und bald wieder vergessene Äußerungen zu reagieren, es ist vielmehr geboten, gegen die viel unauffälligeren Umbauarbeiten hinter solchen Attacken und Äußerungen aufzutreten, die aus Demokratien autoritäre Staaten und aus Meinungsvielfalt und Meinungsfreiheit Meinungsdiktaturen machen. 

 

Die Medien-Enquete der Regierung, die morgen beginnt und eigentlich eine Medienwirtschaftsenquete ist, ist nicht dazu da, um abweichende Meinungen in Regierungspläne einzubinden, sondern um sich für den beabsichtigten Umbau der öffentlichen Meinung die gewünschte Zustimmung zu holen. Die Medienenquete der Regierung sucht das Einvernehmen mit österreichischen und internationalen Medienmanagerinnen und Medienmanagern und stellt Fragen nach der Wirtschaftlichkeit bzw. Überlebensfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit. Von wem eigentlich? Der des deutschen Medienkonzerns, dem inzwischen alle privaten Fernsehsender in Österreich gehören, mit Ausnahme des Milliardärsfernsehens des Red Bull-Herstellers Dietrich Mateschitz? Aus anderen Anbietern besteht die österreichische Privatfernsehlandschaft nämlich nicht. Abgesehen von den Begehrlichkeiten der österreichischen Gratisblätter, die nach der Etablierung des Meinungseinkaufs im Zeitungsmarkt nun auch den Meinungseinkauf auf dem Rundfunksektor als Hauptaufgabe von Medien etablieren wollen. 

Es ist nicht nur allergrößtes Misstrauen gegen die Medienpolitik der Regierung angebracht, es ist auch höchste Zeit, gegen jeden Versuch der Vereinnahmung und Gleichschaltung von Medien aufzutreten und insbesondere gegen die Vereinnahmung und Gleichschaltung des ORF. Es ist dringend notwendig, sich gegen Anpassung und Gleichmacherei zu wenden und sich für Vielfalt und Individualität einzusetzen.

 

Weder darf der ORF restverwertet, noch seine Unabhängigkeit gefährdet werden. Weder darf man die Information Beratungs- und Werbeagenturen überlassen, noch den Gratismedien. Weder darf das Wiener Funkhaus verkauft, noch darf es zu einer Funkhütte geschrumpft werden, ob am bisherigen Standort oder auf dem Küniglberg. Und vor allem darf es keine Verstaatlichung des ORF durch Steuerfinanzierung geben. Auch wenn es – aus welchen Gründen immer – anderswo Staatsfinanzierungen des Rundfunks gibt. Die Schweiz hat Gebühren, Deutschland die Haushaltsabgabe und wir haben mit der Schweiz und Deutschland einen gemeinsamen Medienmarkt. Es gibt aber einen noch viel triftigeren Grund: Niemand kann sich vorstellen, wie ein Interview von Armin Wolf mit Wladimir Putin im staatsfinanzierten Fernsehen, also quasi im Regierungsauftrag aussehen könnte.

 

Meinungsfreiheit und Medienvielfalt bekommt man nicht geschenkt, man muss sie sich erkämpfen, und hat man sie sich erkämpft, dann muss man auf sie achten. Und sollte der ORF oder irgendein anderes Medium in Österreich bisher nicht so frei gewesen sein, wie man sich das wünschen hätte sollen, dann nur noch umso stärker und umso mehr. 

 

Wien, Karlsplatz

6. Juni 2018